Der Anbau und die Verwertung von Flachs in Verrenberg
Viele der von unseren Vorfahren genutzten Pflanzen spielen in der heutigen Landwirtschaft (fast) keine Rolle mehr.
Eine davon ist der Flachs, auch Gemeiner Lein genannt. Seine Verwendung war so selbstverständlich, dass er kaum Spuren in den schriftlichen
Überlieferungen hinterlassen hat.
Flachs - das Leinöl
Er wurde zum einen zur Gewinnung von Fasern, zum anderen zur Gewinnung von Öl genutzt.
Das Öl war notwendig zum Kochen, Braten, aber auch Schmieren, Lichtmachen und Heilen. Die Mehrfachverwendung machte das Öl so kostbar.
Die Verrenberger Ölmühle stand oberhalb der Kirche, wo sich heute ein Garten findet.
Das Bild links zeigt diese Fläche.
Unklar ist, wann diese Ölmühle entstanden ist. Hierzu fehlen bis dato schriftliche Quellen. Sie dürfte aber
um 1850-52 abgerissen worden sein, nachdem der Flachs von der einfacher zu verarbeitenden Baumwolle verdrängt wurde.
Leinöl ist ein natürlicher Holzschutz und wird seit Jahrhunderten für die Imprägnierung von Holz, Putz, Stuck, Mauerwerk und Terracotta verwendet.
Im Mittelalter wurde Leinöl auch als Korrosionsschutzmittel für Rüstungen und Waffen genutzt.
Flachs - die Leinenfaser
Das Flachs war lebensnotwendig in Zeiten, da sich der Bauer sein Tuch noch selber webte.
Die mühseligen und zeitraubenden Verarbeitungsmethoden machten es der im 19. Jahrhundert aus dem Ausland kommenden Baumwolle leicht, den Flachs fast völlig zu verdrängen.
Bedingt durch den Amerikanischen Bürgerkrieg (Sezessionskrieg 1861-1865) wurde die Baumwolle knapp und der Flachsanbau wieder lukrativer.
Leinengewebe wurden traditionell für Kleidung, Bett- und Hauswäsche verwendet, aber auch Seile, Säcke und Tücher konnten daraus gewoben/hergestellt werden.
Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang das „Nebenprodukt“ Öl (Leinöl).
Aufgrund seiner schmutzabweisenden Eigenschaft wurde es auch
bevorzugt für körpernahe Verwendung eingesetzt. Für unsere heutige, verwöhnte Haut nur schwer vorstellbar.
Die Aussaat des Flachs erfolgt April bis Anfang Juni. Er ist sehr empfindlich gegen Verunkrautung. Die Felder müssen daher mehrmals
sorgsam ausgejätet werden. Ein altes Sprichwort dazu lautet:
"Wenn der Flachs net neunmal ein Weiberfüdle (=Gesäß) sieht, gerät er nicht!"
Ein wiederholter Anbau von Flachs auf derselben Fläche ruft Bodenmüdigkeit hervor.
Der Flachs wurde nicht gemäht, sondern büschelweise mit den Wurzeln aus dem Boden gezogen. Die Stängel und die darin eingebetteten Fasern blieben auf
dieser Art unbeschädigt in voller Länge erhalten.
Zum Trocknen wurden die Garben gebunden und in "Kapellen" gegeneinander gelehnt.
Später wurden die Garben eingefahren und in der Scheune büschelweise durch grobe eiserne Kämme gezogen, die Samenkapseln wurden durch das Riffeln vom Stängel
getrennt.
Um die reinen Flachsfasern vom übrigen Pflanzengewebe zu lösen, musste der Flachsgeröstet (gerottet) werden. Meist wurde die so genannte
Tauröste praktiziert. Der geriffelte Flachs wurde auf abgemähten Wiesen ausgebreitet. Immer wieder unterbrochene Fäulnisprozesse, bei dem der Flachs
mehrmals gewendet werden musste, zersetzten den Pflanzenleim, die die Flachsfasern und holzige Teile der Stängel verbanden.
Auf das "Rösten" folgte das Trocknen oder "Darren" des Flachses. Dies konnte durch Auslegen des Flachese an der Luft erfolgen.
Bessere und schnellere Ergebnisse wurden in sogenannten "Flachsdarren" erzielt, speziell für diesen Zweck errichtete kleinere Gebäude.
In vielen Ortschaften war es lange Zeit üblich, den Flachs in den Backöfen zurückzutrocknen, was wiederholt zu Bränden geführt hat.
Viele Dörfer entschlossen sich mit der Zeit, außerhalb des Dorfes eine Flachsdarre und eine Brechhütte zu errichten.
Die restliche Feuchtigkeit wurde dem Flachs mit Darren entzogen.
Links: Anzeige im "Hohenloher Bote" von 1876
Die Verrenberger Brechdarre
Gemeindebrechhaus 1818 |
Gemeindebrechhaus 1839 |
Gemeindebrechhaus 1858 Detail |
Gemeindebrechhaus 1858 Übersicht |
Auf der Karte links von 1818 ist keine Darre erkennbar. Gab es keine, oder an einem anderen Ort?
Bei der Vermessung zum Urkataster 1833-39 ist dir Brechdarre erstmals erkennbar
Auf der Servitutenkarte von 1858 sind mehr Details erkennbar. Ganz rechts ist die Lage in Bezug zum Ort erkennbar.
1858 wird von einem "ohnlängst neuerbauten Gemeindebrechhaus" gesprochen. Die Karte von 1839 zeigt, dass es an dieser Stelle bereits zuvor ein Gemeindebrechhaus gab.
Da auf der Karte von 1818 an dieser Stelle keine Anlage erkennbar ist, stellt sich die Frage, ob es zu dieser Zeit ein Gemeindebrechhaus an anderer Stelle gab.
Einerseits gibt es weder im Ortsarchiv, noch auf der Karte von 1818 Hinweise darauf. Adererseits dürfte die Verarbeitung der Flachsfasern in unserer Gegend bereits seit Jahrhunderten gebräuchlich
gewesen sein.
Dagegen spricht, dass bereits kurz nach errichten des Gemeindebrechhaus dieses als zu klein und wegen fehlenden Wänden als Mangelhaft bezeichnet wurde. Mängel, die auf fehlende Erfahrung hindeuten.
Besteht ein Zusammenhang mit dem Abgang der Verrenberger Ölmühle und neu/umbau der zugehörigen Scheune in den Jahren 1850-52?
Die einzigen historischen Hinweise dazu finden sich in den Verrenberger Gemeinderatsprotokollen.
Das neuerbaute Gemeindebrechhaus hat Mängel - 1858
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Im Verrenberger Gemeinderatsprotokoll vom 28.August 1858 findet sich folgendes:
Es ist in der hies. Bürgerschaft schon öfters Klage erhoben worden, daß der Raum in dem ohnlängst neuerbauten Gemeindebrechhaus
viel zu gering, auch über dies sei es nicht mit Wandungen umfaßt, was noch schlimmste wäre, denn wenn man im Späthjahr
wo das Hanfbrechen beginnt sein Geschäft darin vornehmen will, und sollte schlechte Witterung indeß einfallen, so ist
es fast nicht möglichsolches auszuführen.
Beide Collegien erklären hiemit daß eine Erweiterung an Raum eine Umfassung zum Schuz für Regen und Wind von Wandungen
eine höhst nöthige und zum diesem Geschäft tauglich sehr zweckmäßige wäre.
Nach längerer Berathung wurde einstimmig
Beschlossen
Eine Repratur in dem Gemeindebrechhauß vorzunehmen, hievon einen Sachverständigen nehmlich den Zimmermeister Kübler
von Windischenbach dazu beauftragen, daß er eine Übersicht von dem Vorhaben nehmen und Riße und Plan wenn es
erforderlich wäre fertigen soll
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Das Gemeindebrechhaus ist zu klein - 1859
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Im Verrenberger Gemeinderatsprotokoll vom 05.August 1859 findet sich folgendes:
...
Ferner wird noch Beschlossen daß die Brechhütte weil der Raum viel zu gering ist verweitet werden soll der Ortsvorsteher
soll hiemit die Behufs info erhalten sich einem geeigneten Zimmermann zu verwenden.
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Aus dem "Befehlbuch" - 1861
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Im "Befehlbuch für das Schultheißenamt Verrenberg" findet sich am 4.März 1861 folgendes:
Über die Frage ob das Flachs und Hanf reffen und brechen zur Nachtzeit gestattet sei, hat die höhere Behörde entschieden, daß
sich das Verbott der General=FeuerPolizei Verordnung vom 13. Apr. 1808 Bet. §ii. nur auf das Flachs Hanfreffen und Brechen in den
Scheuern beziehe, und diese Arbeit zur Nachtzeit in anderer Lokalität als den Scheuren nicht unzuläsig sei, wenn die nöthige
Vorsicht angewendet und insbesondere hiebei nur eine gute Laterne benuzt und diese sicher aufgestellt wird, weshalb die Ortspolizei
hier... die nöthige fürsorge eintretten zu lassen und insbesondern zur Zeit wo diese Geschäfte gewöhnlich vorgenommen werden; sich
durch periodische Visitationen von der Anwendung, der gehörigen Vorsicht zu überzeugen hat
Vorstehendes ist in das ....buch eingetragen
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Ortsangabe des Gemeindebrechhaus - 1864
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Im Verrenberger Gemeinderatsprotokoll vom 27.Mai 1859 findet sich folgendes:
Die hies. Gemeinde besizt ein Lehmgrube bei der Brechdarre welche jetzt ausgeraben und kein Leimen mehr vorhanden
sogar jetzt Oede ist.
Da nun jetzt eine andere Leimengrube angekauft worden ist, so hat der Gemeinderath unter vorbehalt der Genehmigung des
Bürgerausschusses einstimmig
Beschlossen
...
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Beim Verkauf des
Hof Nr.4 am
30.09.1865 behielt sich der Verkäufer
Mattheus Mugele u.a. folgendes bevor:
"
Den fünften Theil vom gehegelten Hanf und wenn der Verkäufer seine Ehefrau überleben sollte, demselben dagegen jedes Jahr 2.henfene Hempten."
Flachs - die Verarbeitung durch die Weber
In den Kirchenbüchern (Familienregister ab 1808) findet sich als Berufsbezeichnung auch immer wieder der "Weber". Es gibt hier keine schriftliche
Belege, es ist aber naheliegend, dass diese (selbstangebauten?) Flachs verarbeiteten.
Hier eine Auswahl der Verrenberger Weber:
- Johann Michael Braun, 07.07.1740 - 17.03.1806
- Johann Philipp Bort, 27.02.1763 - 09.04.1834
- Johann Michael Hohbach, 01.06.1776 - 10.09.1846
- Johann Christian Schäffner, 31.10.1786 - 15.05.1855
- Johannes Gebhard, 19.06.1787 - 17.03.1847
- Friedrich Kern, 15.04.1797 - 06.12.1868
- Georg Matthäus Schanzenbach, 16.10.1800 - 28.12.1841
- Johann Michael Bürkert, 27.04.1803 - 05.10.1853
- Christoph Philipp Heinrich Wieland, 14.02.1820 - ??.??.????
- Michael Peter Jakob Messer, 03.05.1847 - ??.??.????
- Martin Ludwig Bort, 05.08.1863 - 25.01.1942
Im Konferenzaufsatz des Verrenberger Volksschullehrer Pfeiffer aus dem Jahr 1900 heist es:
"... ,wird nicht mehr in den verfallenen Brechdarren, ..."
Flachs und Hanf - wo in Verrenberg wurden sie angebaut?
Es gibt aktuell lediglich einzelne Hinweise in den diversen Archiven
Im Gült- und Lagerbuch von 1740 (HZAN Ba 55 Bd89 Fol. 207) findet sich der Eintrag: "... unten an die gemeinen Hannf Länder szoßend".
Wo genau lagen die "gemeine Hannf Länder"?
Das Flurstück, in dem 1740 diese Beschreibung zu finden ist, entspricht vermutlich dem Flurstück Nr. 245 der Vermessung von 1818.
Südlich davon befand sich 1818 die Bereiche "Chaussee" und "Neudeck".
1860 klagte Jacob Kaiser von Bizfeld gegen Johann Georg Dölbor. Dabei trägt er vor:
"Ich und mein Stiefsohn Friedrich Weiß besizen auf der hies. Markung ein Hanfland
im Distrikt Neudek, ..."
Zu beachten ist dabei, dass die Bezeichnung "Chaussee" nach 1818 nicht mehr gebraucht wurde und die hier betrachteten Flurstücke dem Linsenfeld zugeschlagen wurden.
Im Kaufbuch (B 73 Teil 9 1858-1861 Fol 156A) findet sich am 15.02.1860 der folgende Eintrag:
"Ein Hanfland in den Kirschengärten neben Christoph Lay und Georg Feinauer, sollte aber die Verkäuferin, vor dem Verkäufer mit Tod abgehen , so tritt der Verkäufer dieses Grundstück an Käufer ab"
Quellennachweis.
Ortsarchiv Verrenberg: Gemeinderatsprotokolle
Ortsarchiv Verrenberg: Befehlbuch Schultheißenamt
Ortsarchiv Verrenberg: B 75 Kaufbuch Teil 11 1864-1868
Buch: "Tiere und Pflanzen im alten Dorf"; Anton Stiglmair
Buch: Heinrich Mehl: Dorf und Bauernhaus in Hohenlohe-Franken
Bitzfelder Kirchenbücher (Mikrofilm KB 1501 Band 6)
Bitzfelder Kirchenbücher (Mikrofilm KB 1503 Band 25 und 26)
Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen, Herr Beck
Hohenloher Kreisarchiv: Der Hohenloher Bote, 1876
Hohenloher Zentralarchiv Neuenstein: Ba 55 Bd 89, Lager- und Gültbuch über das Amt Pfedelbach